Im Jahr 2002 bin ich das erste Mal mit meinem Freund, dem Adlerjäger Intan in der Westmongolei auf der Jagd gewesen; leider ist er mittlerweile verstorben.
Die Berkutschi, so werden die Adlerjäger genannt, gehen auch heute noch der traditionellen Jagd mit dem Adler nach. Im äußersten Westen der Mongolei nahe der russischen Grenze leben im Bayan Ulgii Aimag im Altaigebirge Nomaden, die der kasachischen Minderheit in der Mongolei angehören. „Berkut“ bedeutet auf Russisch Adler und ein „Berkutschi“ ist der Adlermann.
Die Beizjagd mit Steinadlern zielt darauf ab, dass die Vögel ihre Beute totbeißen. Der Greifvogel wird über ca. zwei Jahre hinweg sehr zeitaufwändig so an den Menschen gewöhnt und zum Jagen abgerichtet, dass dieser ihm seine Beute abnehmen kann und somit das wertvolle Fell möglichst unbeschadet bleibt.
In der Mongolei werden meist Hasen, Murmeltiere, Füchse oder Marder, aber auch ganz selten junge Wölfe gejagt.
Der Adler muss lernen, seine Schutzhaube zu tragen, die dem Zweck dient, dass der Vogel nicht abgelenkt wird von äußeren Dingen, solange er nicht „im Dienst“ ist. Der Vogel ist sehr sensibel und somit ist die Lederhaube unerlässlich.
Unmittelbar vor der Jagd wird ihm die Lederhaube abgenommen. Nach jeder erfolgreichen Übung erhält er zur Belohnung eine Kleinigkeit zu fressen. Es ist gerade so viel, dass er bei Kräften und zugleich hungrig bleibt, denn wenn der Adler satt wäre, würde er nicht jagen.
Intan lebte mit seiner Familie in der Nähe von Sagsai in einer Jurte. Für den Winter hatten er und seine Familie ein Steinhaus, in das sie umzogen. Ich war damals sehr aufgeregt, da ich noch nie mit einem Adlerjäger auf der Jagd war. Kennengelernt hatte ich seine Tochter in Bayan Ulgii, der westlichsten Provinzhauptstadt der Mongolei, wohin ich in zwei Wochen von Ulan Bator aus über Land gefahren war. Ich schlief erst einmal in meinem Schlafsack auf dem Boden seiner Jurte und in den ersten Tagen ritten wir immer nur für ein paar Stunden in der Nähe der Jurte herum. Meine Füße und Hände spürte ich schon sehr, da es minus 45 Grad hatte. Aber irgendwie sind Neugier und Freude immer viel größer als das Leiden.
Während wir auf dem Pferderücken mit seinem Adler unterwegs waren, legte Intan seinen Arm auf eine spezielle Holzstütze, um diesen zu entlasten, denn sein ausgewachsener Adler brachte schon fünf Kilo auf die Waage. Zum Schutz vor den Krallen trug er einen „Biyalai“, einen dicken fellgefütterten Lederhandschuh.
Auf den folgenden Fotos sehen wir Sinapbergen mit seinem Sohn, mit denen ich 2012 drehte. In der freien Natur jagen die Berkutschi oft mit Treibern. Während der Jäger mit seinem Adler auf dem Rücken seines Pferdes auf einem hohen Felsen wartet, machen die Treiber viel Lärm, um mögliche Beutetiere aufzuscheuchen. Dann kommt der Augenblick des Jägers: Der Adler macht sich auf die Jagd. Schließlich bedeutet Beute für ihn Futter! Bis zu 2 kg Fleisch bekommen die Adler in Gefangenschaft am Tag zu fressen, aber nie zuviel, damit sie hungrig bleiben.
Steinadler greifen ihre Opfer meist auf dem Boden auf.
Die Bergformationen im Altaigebirge sind atemberaubend und ich fühlte mich jedes Mal so klein und der Natur ausgesetzt. Die Eiskristalle in der Luft, der schneidende Wind gab mir auf der einen Seite ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit und Abenteuerlust und auf der anderen Seite fragte ich mich jedes Mal, was passiert, wenn es zu kalt ist, wir nicht mehr in die Jurte kommen wegen eines Schneesturms oder den Weg nicht mehr finden. Bei solch einer Kälte wäre das fatal. Meine primären Anliegen jeden Tag waren: trocken und warm bleiben, nicht hungrig sein und möglichst viele Kalorien gegen die Kälte zu mir zu nehmen und etwas Schlaf draußen zwischen zwei Feuern zu bekommen, ohne zu erfrieren.
Die Kamele in der Mongolei können auch extreme Minustemperaturen aushalten, anders als die Kamele, die wir aus den arabischen Ländern kennen.