Pakistan: Hunza-Tal, Karimabad und Karakorum-Highway
Das Hunza-Tal im Norden Pakistans ist Teil des Karakorum-Highways. Dieser führt über den höchsten befestigten Gebirgspass der Welt, den Khunjerab-Pass mit 4693 Metern, am Übergang zwischen Hindukusch und Karakorum und verbindet Xinjiang in China mit Pakistan.
Ich flog nach Islamabad, Pakistan und fuhr direkt mit dem Bus weiter in den Ort Rawalpindi, wo ich eine Nacht verbrachte, um am nächsten Morgen mit dem öffentlichen Bus in ca. 12 Stunden nach Gilgit in den Himalaya zu fahren. Schon am Busbahnhof lernte ich Pedro, einen peruanisch-kanadischen Redakteur mit seinem Kamerateam kennen, mit dem er eine Doku für die BBC über ungewöhnlich alte Menschen (über 101 Jahre) drehte. Sie hatten schon auf Sardinien gedreht und planten nun, in Karimabad zu drehen und sogar auf der Insel Okinawa in Japan. Wir verstanden uns sehr gut und nachdem sich herausstellte, dass Pedro nur Französisch sprach und kein Englisch, übersetzte ich sehr oft für ihn und das Team. Das fing schon beim Ticketkauf an und sich zog über die Pausen mit dem Bus und der damit verbundenen Essensbeschaffung hin. Die bunten pakistanischen Lkw´s kannte ich bisher nur aus dem Fernsehen und nachdem ich dann noch das erste Mal eine verschleierte Frau mit einer Burqa sah, war es vollends um mich geschehen.
In Gilgit angekommen, suchten wir uns eine Unterkunft und verbrachten natürlich auch einen schönen Abend gemeinsam. Beim Abendessen erzählte mir Pedro, dass sein Übersetzer mit Malaria ins Krankenhaus eingeliefert wurde und er quasi aufgeschmissen ist, da er kein Englisch versteht. Am darauffolgenden Morgen fuhren wir mit dem Minitaxi Richtung Karimabad und während der Fahrt fragte mich das Team, ob ich nicht gegen Bezahlung ein paar Tage für sie übersetzen könnte. Wir wurden uns schnell einig und ab sofort übersetzte ich das Englisch ins Französische und lernte in diesen Tagen das erste Mal, wie ein Dreh funktioniert. Der Karakorum-Highway schlängelte sich während drei Stunden entlang des Hunza-Flusses und überall sah man Steinlawinen auf der Straße. Mit Bau des Karakorum-Highways fand das Dorf Karimabad im Jahr 1978 Anschluss an die Moderne. Hoch über dem Ort, der auch Baltit genannt wird, thront das Fort Altit, heutzutage ein historisches Museum.
Hier leben Menschen, die dem sehr liberalen Stamm der sogenannten Ismailis angehören; ihr Stammesoberhaupt ist der Aga Khan. Von Hunza aus mit seinen rund 5000 Bewohnern kann man unter anderem den Berg Rakaposhi und noch weitere 29 der 30 weltweit höchsten Gipfel an der Grenze zu China und Kaschmir sehen. Die Menschen hier leben vom Mais-, Weizen-, Tomaten- und Aprikosenanbau, stellen Maltash (alte Butter) und Aprikosen-Öl her und pflanzen eine Art wilden Thymian an.
Das Team hatte ein sehr gutes Hotel gemietet und ich war glücklich, dass mir das auch bezahlt wurde. Eine Woche verging; wir besuchten einige Familien, zu denen uns unser Guide Ali Madad führte und lernten, dass diese neben zermahlenen Aprikosenkernen, mit welchen sie Mehl herstellen, viel Chappati (Fladenbrot) essen und Gletscherwasser trinken. Im Dorf erstand ich im Krämerladen ein wunderschön gestaltetes Kochbuch „Cooking in Hunza“ von Mareile Luchsinger, die Gerichte mit den Zutaten der Region fotografiert und beschrieben hatte. Der Erlös des Kochbuchs wurde für den Bau einer Ambulanz und die medizinische Versorgung des Dorfs gesteckt. Frau Luchsinger ist übrigens verheiratet mit dem Franzosen Mathieu Paley, den ich erst einige Jahre später in der Mongolei auf dem Adlerfest persönlich kennen lernen sollte.
Das Essen in Hunza war köstlich, vor allem die Aprikosensuppe, dort Haneetze Doudo genannt; ich konnte gar nicht genug davon bekommen. Auch das Gericht Girgir Aloo, braune Linsen und Kartoffeln in einer Chilisoße, war einfach unfassbar lecker. Einfach alles, egal ob der Kürbis, die Walnüsse, der Spinat oder der selbstgemachte Joghurt war ein kaum zu beschreibender Genuss und natürlich alles bio.
Das Hunzatal ist ein Eldorado für Fotografen; neben schneebedeckten Gipfeln ist es ein sehr fruchtbares, grünes Tal mit Äckern und sehr fotogenen Einheimischen. Die Männer tragen eine Art Filzmütze, die Pakol Pakul genannt wird, ähnlich der afghanischen Kopfbedeckung der Paschtunen.
Die Frauen sind sehr bunt gekleidet, allen voran das einfarbige Shalwar Kameez und eine spezielle Kopfbedeckung, die den Namen Pakol trägt.
Nach zwei Wochen bat mich das Team, mit ihnen weiter nach Japan zu fliegen, sie würden auch alle meine Ausgaben bezahlen und ein gutes Honorar dazu. Es klang sehr verlockend, aber ich hatte ja den Plan, weiter Richtung Afghanistan, zum Muztagh Ata Berg am Issikul See, Westchina (Kashgar an der ehemaligen Seidenstraße), durch die Taklamakan Wüste bis nach Ürümqui, der Region der Uighuren und schlussendlich nach Almaty in Kasachstan zu reisen. Also bedankte ich mich und der Abschied fiel schwer nach so einer guten Zusammenarbeit.
In ca. vier Stunden fuhren wir über den Khunjerab-Pass auf fast 5000 Metern, wo ich einen Engländer traf, der gerade aus dem Gefängnis kam.
In der nahegelegenen Grenzstadt Taxxkorgan lernte ich in meiner Unterkunft zwei Französinnen kennen, die als Schneiderinnen auf der Suche nach Filz und anderen Materialien in Westchina waren. Ich finde es immer wieder spannend, was andere Reisende erzählen, warum sie unterwegs sind. Das sind für mich unter anderem die abenteuerlichen Seiten am Reisen – man bekommt neuen Input, den ich zu Hause so nie bekommen hätte.
China: Kashgar, alte Seidenstraße
Die Chinesen an der Grenze maßen Fieber und, wie immer an der chinesischen Grenze, bezweifelten sie, dass der deutsche Pass meiner ist. Ich musste eine Nacht in der Zelle verbringen, bis sie von der deutschen Botschaft in Berlin Bescheid bekamen, dass alles seine Richtigkeit hat.
Weitere drei Stunden Fahrt mit dem Bus ging es bis zum Kala Kule See, dem Ausgangspunkt zum Berg Muztagh Ata, der mit einer Höhe von 7509 m der dritthöchste Gipfel des Pamir-Gebirges in der Volksrepublik China ist. Dort kehrte der Bus wieder um zurück zum Pass und ich suchte nach einer Mitfahrgelegenheit Richtung Kashgar. Es wurde langsam dunkel und es befanden sich immer weniger Menschen am See. Da sah ich von weitem ein Pärchen aus einem Auto aussteigen; ich rannte in ihre Richtung und sprach sie auf englisch an. Katrin kam vom Chiemsee und arbeitete in Peking und ihr Freund besuchte sie momentan. Die beiden machten Urlaub und boten mir an, mich bis Kashgar mitzunehmen. Was für ein Glück! Ich stieg mit ihnen ein und wir verstanden uns auf Anhieb super. In Kashgar angekommen, mietete ich mich in das gleiche Hotel wie sie ein und wir gingen abends Hot Pot essen in einer Kette namens ‚The little sheep‚. Am nächsten Tag streifte ich durch Kashgar und fotografierte ein bisschen.
Abends traf ich mich wieder mit Katrin und Alex und wir vereinbarten, dass wir zusammen nach Khotan an der alten Seidenstraße fahren wollten, um eine Seidenspinnerei zu besuchen. Ich plante ja auch, ein Pferd zu finden, mit dem ich in die Taklamakan-Wüste reiten kann. Die Straße nach Khotan war gesäumt von Granatäpfel-Verkaufsständen und der Saft war so lecker, dass wir uns den ganzen Tag von fast nichts anderem ernährten. In Khotan erfuhr ich von Einheimischen, dass die Taklamakan eine Steinwüste ist und ich unmöglich mit einem Pferd hineinkönnte und sie rieten mir, ein Kamel zu reiten. Das wollte ich aber auf keinen Fall und so war ich erstmal enttäuscht. Abends zurück in Kashgar überlegte ich und entschied mich, mit einem Bus durch die Wüste nach Ürümqui zu fahren, um von dort früher als geplant nach Kasachstan einzureisen und dort noch einige Zeit in den Bergen zu verbringen. Am nächsten Tag ging es dann los und bei meiner Ankunft in Ürümqui wurde mir gleich bewusst, dass hier die Uighuren genau so eine Minderheit darstellten, wie auch in Kashgar. Ich blieb eine Nacht und nahm dann den Bus nach Almaty, Kasachstan.
Kasachstan – nur ein kurzer Aufenthalt.
Schon auf dem Weg ging es mir gar nicht gut und ich bekam hohes Fieber. Bei meiner Ankunft war es so schlimm, dass ich froh war, als ich ein Hotel fand und mich ins Bett legen konnte. Ich schlief einige Tage lang, mir ging es so schlecht, dass ich einen Hotelangestellten bitten musste, mir Wasser in Flaschen zu bringen. Nachdem das Fieber einfach nicht runtergehen wollte und ich befürchtete, dass sich mein Zustand verschlimmert, buchte ich meinen Rückflug um und schleppte mich nachts um drei Uhr zum Flughafen und riss mich beim Einstieg in den Flieger zusammen, damit ich auf jeden Fall mitkam. Den ganzen Flug über schlief ich und als ich in Tegel landete, ließ ich mich mit einem Taxi direkt in die Charité fahren. Dort kam ich eine Woche in Quarantäne und der Arzt vermutete eine Art SARS Virus. So schlecht ging es mir wirklich selten.